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Nahe Zeitung vom Donnerstag 28. März 2019

Neubaugebiet war sein letztes Großprojekt

Scheidender Ortschef Wolfgang Schüßler zieht bei Einwohnerversammlung in Leisel Bilanz

Dass ein Bürgermeister bei einer Einwohnerversammlung das letzte Wort hat, ist die normalste Sache der Welt, dass er danach aber zum Teil als Anerkennung für die von ihm übernommene Aufgabe stehenden Applaus der Anwesenden erhält, mitnichten. So ist es aber nun in Leisel geschehen, wo Wolfgang Schüßler im Sommer nach zehn Jahren im Amt seinen Posten räumen wird.

In Anlehnung an Angela Merkel und deren letzter Rede als CDU-Parteivorsitzende betonte Schüßler in der gut gefüllten Vereinshalle: „Es war mir zu 90 Prozent eine Freude und zu 100 Prozent eine Ehre, meiner Geburts- und Heimatgemeinde gedient zu haben.“ Sein schon im Oktober des vorigen Jahres erstmals verkündeter Entschluss steht aber unwiderruflich fest. Der 60 Jahre alte frühere Düsenjägerpilot, der seit seiner Pensionierung als selbstständiger Versicherungskaufmann tätig ist und seit 2009 Chef des 570-Einwohnerdorfs ist, wird sich aus der Kommunalpolitik zurückziehen und bei der Wahl am 26. Mai auch nicht für einen Platz im Gemeinderat zur Verfügung stehen.

Kein Freund langer Regierungszeiten

Denn der neue Mann oder Frau an der Spitze – aktuell ist es aber noch offen, ob es überhaupt einen Bewerber geben wird – soll später nicht „das Gefühl haben, dass da im Rat noch ein verkappter Bürgermeister sitzt, der alles besser weiß“, begründete Schüßler seinen kompletten Rückzug, und er stellte noch einmal – wie schon bei einer NZ-Umfrage zum Jahreswechsel – klar: „Ich bin kein Freund ewig langer Regierungszeiten. Viel wichtiger finde ich es, wie intensiv man einen Job in der Zeit macht, die man sich selbst als Frist gesetzt hat.“ Das seien für ihn von Anfang an zehn Jahre, also zwei Wahlperioden, gewesen, sagte Schüßler.

Er habe sich in seinem Amt in erster Linie als „Brückenbauer“ gesehen und darauf geachtet, „mehr zuzuhören, als selbst zu reden“. In der Zusammenarbeit mit dem Rat habe er einen kooperativen Stil gepflegt. „Wir haben zum Teil sehr lebendig diskutiert, hatten aber immer ein gemeinsames Ziel vor Augen: den Ort voranzubringen – und wir konnten am Ende der Sitzungen auch immer noch zusammen ein Bier trinken“, betonte Schüßler. Über sein Verhältnis zum ebenfalls bei der Einwohnerversammlung anwesenden VG-Bürgermeister Bernhard Alscher sagte er: „Ich glaube, zwischen uns bestand eine gute Chemie, auch wenn ich manchmal der Prellbock war zwischen dem, was von oben kommt, und dem, was von unten in unserem Rat und von den Leiseler Bürgern erwartet wurde.“

Was die Bilanz seiner Tätigkeit angeht, stellte Schüßler in der für ihn typischen klaren Sprache fest, dass es aus seiner Sicht bezüglich größerer Projekte „keine Sau mehr gibt, in der ein Messer steckt“. Vorangegangen war beim Einwohnertreffen in der Vereinshalle nämlich der Rückblick auf das, was im Nationalparkdorf in jüngerer Vergangenheit bereits angepackt wurde, und der Ausblick auf Dinge, die Schüßlers Nachfolger und den neuen Rat möglicherweise beschäftigen werden. Inzwischen abgeschlossen ist die Erschließung des Neubaugebiets „Auf Krummenacker“, wo bereits die ersten Eigenheime entstehen. 1 Million Euro hat die Gemeinde dafür in die Hand genommen. Neun von insgesamt 25 Grundstücken mit Größen zwischen 700 und 980 Quadratmetern und zum Preis von 49 Euro pro Quadratmeter wurden bereits verkauft. Das könne man sehr wohl als bisher erfolgreiche Vermarktung bewerten, „was bei Neubaugebieten nicht in jeder Gemeinde so ist“, sagte Schüßler.

In den Jahren zuvor hatte der Schwerpunkt hingegen auf der Innenentwicklung gelegen, wobei in diesem Zuge zum Beispiel der Dorfplatz an der Ecke der Straße, die hoch zum Sportplatz führt, neu gestaltet wurde. Rund um den Ort wurden unter dem Titel „FanVier“ Wanderwege ausgeschildert, und es wurde zudem eine Streuobstwiese angelegt, was beides kaum Kosten für die Gemeinde verursachte. Dass vor allem nach der Millioneninvestition ins Neubaugebiet aktuell knapp 43 500 Euro in der kommunalen Kasse enthalten sind und dem ein Betrag von 387 000 Euro an Verbindlichkeiten gegenübersteht, ist nach Schüßlers Auffassung eine Haushaltssituation, „die verkraftbar ist und zeigt, dass wir insgesamt ordentlich gewirtschaftet haben. Denn wir haben in den vergangenen Jahren im Ort ja auch einiges gewuppt“.

Hängepartie um zwei weiße Riesen

Was die zwei Windräder angeht, für deren Errichtung auf der Gemarkung Leisel schon vor einigen Jahren Verträge mit der Frankfurter Firma Geres abgeschlossen wurde, sagte Schüßler in der Einwohnerversammlung: „Lang, lang ist’s her. Meine persönliche Meinung ist, dass diese Dinger nicht aufgestellt werden.“ Bekanntlich hat die Bundeswehr wegen des sogenannten Link 16, einem Funkmast auf dem Gelände der Rilchenbergkaserne, ihr Veto gegen den Bau der Anlagen erhoben. Das war dann in der Folge ein entscheidender Grund dafür, dass die Kreisverwaltung keine Genehmigung für den geplanten Windpark Leisel/Siesbach gegeben hat. Wegen eines Widerspruchs ist aber nach wie vor ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Koblenz anhängig.

Mittelfristig – nach Auffassung Schüßlers in den nächsten zwei bis vier Jahren – sind zudem Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftshaus notwendig, wo nicht nur die Küche erneuert werden muss, sondern auch das Problem eindringender Feuchtigkeit im Bereich des Gebäudesockels besteht. Die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED-Lampen wurde wegen der vorrangigen Investitionen ins Neubaugebiet zurückgestellt, steht für die Zukunft aber ebenfalls noch an.

Die Fassadenerneuerung des Stierstalls, des Gebäudes mit dem Glockenturm, den die Gemeinde unter anderem als Lagerstätte für ihre Geräte nutzt, wird hingegen mithilfe eines Landeszuschusses schon bald angegangen. Gleiches gilt für die Verlegung von Glasfaserkabeln im Ort durch die Firma Inexio. Diese wird im Rahmen eines kreisweiten Breitbandprojekts mehr als 160 bisher unterversorgte Haushalte, die sogenannten A-Adressen, kostenlos mit einem Anschluss an die schnelle Datenautobahn versorgen. Auf dem Weg dorthin können bei der Kabelverlegung zudem circa 30 B-Adressen von diesem Angebot ebenfalls Gebrauch machen. Der Starttermin der Bauarbeiten in Leisel ist zwar noch nicht ganz sicher, die Fertigstellung soll aber bis Ende des Jahres erfolgen, erläuterte Björn Symanzik von der Firma Inexio bei der Einwohnerversammlung.

Trinkwasserversorgung war Thema

In ihr hatten sich unter anderem auch die Ratsmitglieder Rainer Lübke und Karl-Heinz Bittig zu Wort gemeldet. Lübke kritisierte, an Alscher gewandt, dass die VG-Verwaltung zu lange brauche, bis sie die Rechnungsabschlüsse der Kommunen vorlege. „Wir konnten zum Beispiel erst jetzt den Haushalt 2016 prüfen“, monierte Lübke. Bittig wiederum gab Alscher, der auch Vorsitzender des Kreiswasserzweckverbands ist, die klare Erwartungshaltung der Bürger des Nationalparkorts mit auf den Weg, „dass unsere eigenen Leiseler Quellen auch künftig erhalten bleiben müssen“. Eine Trinkwasserversorgung, die allein auf dem Anschluss an die neue Überleitung von der Primstal- zur Steinbachtalsperre fußt, lehnte zumindest Bittig deutlich ab.

Nahe Zeitung vom Donnerstag, von Axel Munsteiner, 28. März 2019